Diese Menschen: Der Hobbykoch

Diese Stille, diese Stille! Sie ist so wundervoll. Noch sitze ich mit meinen Kollegen im Dunkeln, das machen wir ziemlich gern. Zugegeben, das wirkt ein bisschen befremdlich. Diese meditative Finsternis ist aber eine begrüßenswerte Abwechslung von unserem Berufsalltag. Wenn man ganz streng ist, könnte man uns zusammenfassend der Gastronomie zuordnen. Wir hacken, braten, schwenken, schneiden, dünsten...oh nein. Ich kann schon seine Schritte hören. Dabei haben wir dafür gebetet, dass er heute bei seiner ranzigen Lebensabschnittsgefährtin nächtigt. Aber nein, er kramt schon nach seinem Schlüssel, Schreck lass nach. Er hat die Tür geöffnet - Jungs, BETET, dass er keine Einkaufs-Jutebeutel dabei hat. Oh verdammt, da steht er. Und er hat nicht nur Stoffbehälter - er hat auch noch die Kiste vom Biohof. Das kann nicht gut ausgehen. Ach Dreck, er stapft in die Küche. Leider hält er sich für einen "gerechten Koch", so wie sich einst einige Matrosen als "christliche Seefahrer" bezeichneten. Und nein, nur weil er Fair-Trade-Produkte kauft bedeutet das noch lange nicht, dass seine Kochkunst ebenfalls gerecht ist.

Herr im Himmel, warum hast du uns verlassen? Er öffnet die Schranktür und packt mich an meinem Griff. Ich weiß genau, was jetzt kommt. Er schüttet viel zu viel überteuertes Öl in mich rein, mit dieser Rauf-Runter-Bewegung, so wie ein Kellner den Wein eingießt. Oh je, typisch. Jetzt erzählt er seinem Mitbewohner vom kommenden veganen Stammtisch und vergisst dabei, dass das Öl in mir bruzzelt. Die Küche stinkt schon, er schämt sich aber kein Stück. Mann ey, seht euch diesen Dilettanten an, jetzt versucht er Zwiebeln zu schneiden. Mit so einer sportlichen Bewegung, wie TV-Gourmets. Würfel sollen das angeblich sein. Das sieht mir aber mehr danach aus, als sein ein Panzer durch ein Zwiebelfeld gedonnert. Von seinen vegetarischen Frikadellen reden wir erst gar nicht - die erinnern mich eher an das Endprodukt eines Verdauungsprozesses. UAH, NEIN, OH GOTT. Jetzt hat er mir gerade passierte Tomaten und irgendwelche eigenartigen Schoten reingehauen! Was auch immer das sein mag, es passt nicht zusammen. Wa...was soll das? Was - nein, NEIN. Geh mit den Schokostreuseln weg, du Teilzeit-Hipster! Baaaaahhhhh, helft mir doch!

In mir brodeln jetzt auf geringer Hitze Tomaten, Rosenkohl, Butter, Öl, Panzer-Zwiebeln und Schokostreusel. Mein Kollege Jürgen hat die vegetarischen Frikadellen abbekommen, er ist bereits ohnmächtig. Früher, als ich noch im Küchenstudio als Ausstellungsstück gearbeitet habe, war alles besser. Das Essen war aus Plastik, ich hatte geregelte Arbeitszeiten, habe gut verdient. Doch ich muss es mir einfach eingestehen: Ich kann nicht mehr. Jeden Tag müht er sich erneut an mir ab und tut uns weh. Langsam rutsche ich in Richtung Fenster. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Mein Blick streift durch den Innenhof, andere Küchengeräte sehen mir besorgt zu. Ich vergieße eine letzte Träne, verabschiede mich im Stillen. Und springe schließlich.

Doch ich komme nicht weit. Ein beherzter Griff zieht mich zurück auf das Ceranfeld. Er hat die honigbestrichenen Salbeiblätter vergessen. Verdammt.